Plastizieren via Zoom

Im Rahmen des Waldorfseminars Köln haben die Jahrgänge 2020 und 2021 montags einen Block ihres Seminars im Plastizieren mit Ton durchgeführt, diesmal auf einer Onlineplattform – via Zoom. Plastizieren online? Geht das überhaupt? Frauke Kunze hat gezeigt – ja, das kann funktionieren. Mit kompetenter Assistenz hat die staatl. anerkannte Dipl. Bildhauerin den Kurs durch das Abenteuer „Modellieren eines menschlichen Kopfes“ geführt.

Während der jeweils 1,5 Stunden pro Woche saßen alle zu Hause an ihren Schreib-, oder Küchentischen. Die erforderlichen 10 kg Ton, ein Brett, um darauf zu plastizieren, sowie eine Gitarrensaite, um den Ton abzuteilen, wurden vom Seminar gestellt und hatten sich alle zu Hause bereitgestellt. Frauke erklärte uns Schritt für Schritt die Vorgehensweise und übte die Korrekturen und Hilfestellungen über die kleinen Ansichtsfenster der Onlineplattform, aus. Auch für sie war das das Online Plastizieren Neuland und sicherlich eine Achtsamkeits- und Gelassenheitsübung. So gerne sie uns die Hilfestellung am tatsächlichen Modell gegeben hätte, musste sie immer wieder auf reine Gestik vor dem Bildschirm zurückgreifen. Für uns Teilnehmer war das aber halb so schlimm.

Alle arbeiteten in heimischer Atmosphäre, bei einer Tasse Kaffee oder Tee, gelegentlich schauten die Kinder oder der Partner vorbei, um sich den Fortschritt des Tonkopfes anzusehen oder seelischen Beistand zu leisten, die Kamera des Laptops oder Tablets auf den Tonkopf und/oder den Künstler gerichtet. Immer wieder spähte man auf den eigenen Bildschirm, um im Getummel der kleinen Ansichtsfenster die Entwicklung der anderen Seminarist*innen zu verfolgen. Manche sah man nur gelegentlich hinter ihren Tonköpfen auftauchen, andere waren immer sehr gut inklusive ihrer Arbeit zu sehen.

Spannend und bereichernd für jeden einzelnen war es alle Male. Direkt zu Anfang sagte uns Frauke: „Nehmt euch nichts vor, denn der Ton macht sowieso, was er will“. Und das tat er auch. Ich denke, niemand von uns konnte sein Ergebnis vorhersehen. Und trotzdem sind großartige Ergebnisse entstanden, die doch irgendwie alle etwas mit ihrem Erschaffer gemein hatten: ob sie einem selbst ähnelten, dem eigenen Kind, (Wunsch-)Partner, oder karikaturistisch einen bestimmten Charakterzug seines Schöpfers darstellten.

Während der Plastizierstunden kamen unterschiedlichste Gefühle in uns hoch: von Freude über das Schaffen mit den Händen, über Frustration, Wut, Enttäuschung und dem schlussendlichen Annehmen und Akzeptieren des Ergebnisses. Es war also alles in allem eine sehr gute Wahrnehmungsübung, die viele von uns auch an ihre Grenzen brachte. Das Beschäftigen mit dem menschlichen Kopf und Gesicht ließ einen sehr aufmerksam und hingebungsvoll werden. Zu erfahren, wie so ein lebensgroßer Kopf mit menschlichen Zügen unter den eigenen Händen entstand, wie sich nach und nach Schultern, Hals, Kinn, Hinterkopf, Stirn, Nase, Mund Augen, Ohren und Haare formten war ein sehr lehrreicher Schaffensprozess und eine gute Übung mit seinem Gegenüber umzugehen.

Juliane Boddenberg

Bilder: Wahrnehmungsgabe

verfeinern durch

Portraitplastizieren

Fotos: Andrea Gabriel, Lisanne Abouche, Janin Maier