Lachen ist eine Erfahrung des Geistes, und an der Sektion für Redende und Musizierende Künste gibt es seit September 2021 einen Arbeitskreis für Clowninnen und Clowns. Wer sollte über Humor besser Bescheid wissen als sie, deren Berufung es ist, Menschen zum Lachen zu bringen. Gilda Bartel fragte nach ihrer Arbeit und ihren Gedanken.
Was geschieht beim Lachen, also in deinen Workshops?
Catherine Bryden, alias Carrottini «Lachen ist ein sofortiger Urlaub», sagte Milton Berle. Und Angela Hopkins fragt im Film ‹Annika›: «Wann hast du das letzte Mal gelacht? Richtig herzhaft gelacht?» Also wann?
Während eines Clownerie-Theaterworkshops lachen wir sehr viel. Manchmal lachen wir so viel, dass uns alles wehtut, und wir schnappen während unkontrollierbaren Lachanfällen nach Luft. Wir kichern, giggeln, grinsen und lächeln – ein wissendes oder auch neugieriges oder unbeholfenes Lächeln. Am bewegendsten ist es, wenn jemand in Gelächter ausbricht und wir sehen können, dass die Person keine Ahnung hat, warum das Lachen ihr Wesen übernommen hat. Dann lachen wir noch mehr. Humor ist ein Geschenk. Während der ersten Aufwärmübungen eines Workshops lenke ich als Moderatorin bewusst und aktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer davon ab, lustig zu sein oder andere zum Lachen zu bringen. Das Wort ‹Clown› setzt Menschen unter Druck, albern oder närrisch zu sein. Es beinhaltet Bilder von Slapstick-Tricks und großen Schuhen. Das ist aber nicht der Theaterclown. Unsere Clowninnen und Clowns können manchmal töricht sein, was aber keine Absicht ist. Lachen in einem Workshop kann nicht geplant oder arrangiert werden, aber wir können Platz dafür schaffen, den Ton und die Stimmung für warmherziges und liebevolles Lachen bereitzustellen. Da es in unserer Clownwelt keinen Platz für Sarkasmus gibt, ist es nicht unsere Absicht, kaltes oder intellektuelles Lachen zu kultivieren. Wenn wir ein Lachen erwarten oder versuchen, lustig zu sein, laden wir eine unangenehme Stille in den Raum ein.
Das Schöne an der Beziehung zwischen Humor und Lachen ist ihre Ungreifbarkeit und Unberechenbarkeit. Wenn Menschen lachen, erlebe ich Bewegung, Weite und Leichtigkeit. Wenn ich lache oder Menschen beim Lachen zusehe, fühle ich tiefe Ebenen der Erleichterung und Verbindung. Der Kolumnist Fred Dennehy geht in seiner Kolumne ‹Laughing and Weeping› (Lachen und Weinen) näher darauf ein. (1) Rudolf Steiner sah – wie auch Sokrates im Fall von Komödie und Tragödie – eine intime Beziehung zwischen Lachen und Weinen. Lachen manifestiert sich normalerweise als eine Reihe von Stakkato-Ausatmungen, gefolgt von einer langen Einatmung. Weinen ist das Gegenteil – eine Reihe von gebrochenen Einatmungen, gefolgt von einem langen Seufzer. Diese Prozesse sind Ausdruck dessen, was Steiner als Astralkörper beobachtete – der Träger von Emotionen wie Freude und Schmerz, Trauer, Schrecken und Verwunderung. In der Erfahrung des Lachens zieht sich der Astralkörper – um Steiners Begriff zu verwenden – aus dem Physischen zurück und dehnt sich aus. Er drückt eine «innere Befreiung» des Geistes aus. Im Falle des Weinens passiert das Gegenteil. Er «drückt» auf das Physische und zieht sich in einer Geste der «inneren Stärkung» zusammen. Steiners Darstellung weist uns auf eine vielleicht überraschende Erkenntnis hin: dass Lachen eine Erfahrung des Geistes ist. Wenn ich die Verwandlungen in Menschen beobachte, die gelacht haben, habe ich keinen Zweifel daran.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Unschuld des Kindes und der eines Clowns?
Sebastian Jüngel, alias Topolino Da lugt sie hervor, die rote Nase. Neugierig. Hinter ihr: das ganze Clownwesen. Unbefangen, unbedarft, entdeckungsfreudig. Es stolpert über einen Stuhl. Macht nichts: zweiter Versuch. Erneut stößt es an den Stuhl, immer wieder, bis das Clownwesen den Stuhl beiseite stellt. Aber kaum kommt es dorthin, wo der Stuhl zuvor stand, stolpert es.
Unbefangen? Das Clownwesen ist beides: unwissend und vielwissend. Damit gleicht es dem Kind. Beide begegnen der Welt offen, interessiert, empathisch. Sie spielen mit dem, was ihnen begegnet – und das heißt: Sie lernen durch Auseinandersetzung am Objekt oder mit einer Situation. Oder sie ertragen das Unabänderliche durch Umdeutung: Das Unangenehme wird zum Vergnügen.
Unbedarft? Das Kind kommt mit einem Willensimpuls auf die Erde. Es bringt mit, was es leben und erreichen will, und strebt voran. Auch das Clownwesen findet einen Umgang mit allem – und das ziemlich gekonnt; wer ein Clownwesen verkörpert, weiß genau, was kommt, auch wenn es im Moment authentisch wie neu erlebt wird. Möchte man da nicht an die Lebensvorschau denken, die Rudolf Steiner einmal erwähnt hat?
Entdeckungsfreudig? Das Mehrwissen lässt das Kind vieles ertragen, es macht weiter; das Clownwesen vermag sich über die Kränkung des Misslingens zu erheben. Diese Distanzierung führt zu einer Perspektivänderung. Der Blick von außen führt zum Humor, indem das Geschehene in seiner Relativität, in seiner Ver-Rücktheit und als Ausgangspunkt für etwas Neues genommen wird.
Dieses asymmetrisch Erhobene, ohne erhaben zu sein, haben Edith Maryon und Rudolf Steiner in ihrer Holzplastik ‹Der Menschheitsrepräsentant› als Felsenwesen links oben dargestellt. Ich sehe im Clownwesen einen Ausdruck des Weltenhumors – so, wie ein Bienenschwarm (Weltenhumor) in vielen einzelnen Bienen (Clownwesen) erscheint. Das Ganze ist mehr als die einzelne Biene, aber ohne diese wäre es nicht auf Erden; die Biene lebt als sie selbst, ist aber mit dem Schwarm (dem Bien) verbunden.
Wieso bringt uns der Clown oder die Clownin zum Lachen?
Carrottini Wenn wir mit der Clownin oder dem Clown lachen und wir als Clown loslassen können, befreien wir uns und öffnen unsere Herzen. Wir erkennen Wahrheiten und erschaffen innerlich Raum. Wir sind berührt von einer Welle der Authentizität, den Problemen, den Peinlichkeiten, der Verwirrung, der Herausforderung, ganz Mensch zu sein. Wenn wir lachen, verbinden wir uns – mit uns selbst, mit anderen Menschen, mit einem Moment, mit einer Überraschung. Wir lachen, wenn wir den Widerspruch erkennen, der besteht zwischen dem, wonach wir uns sehnen, unseren Träumen, Hoffnungen und Wünschen und dem, was geschieht beziehungsweise wer wir in diesem Moment sind. Menschen sind voll von perfekten Widersprüchen.
Der Clown feiert diese Mischung. In der Clownerie ist diese Inkongruenz in Liebe eingehüllt, sodass wir tiefer und aufrichtiger lachen. Nicht über den Clown, sondern mit dem Clown. Wir lachen über die absurden Wahrheiten, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Der Clown hat ein Funkeln in den Augen, was es dem Publikum ermöglicht, Teil des großen Spaßes zu sein, den der Clown hat. Der Kontakt mit dem Publikum enthüllt die Wahrheit über das, was der Clown im Schauspiel erlebt, und enthüllt oft unbeabsichtigt etwas über den Kampf und die Absurdität des Menschseins. Wir üben in einem Workshop nicht, lustig zu sein. Tatsächlich ist es schmerzhaft und unangenehm, zu beobachten, wenn jemand versucht, lustig zu sein. Der Clown wird in Authentizität, einer tiefen Liebe und Loyalität zu sich selbst und der Situation geboren. Wir üben, unseren Gefühlen, uns selbst, unseren Träumen und unseren Sehnsüchten treu zu bleiben, vielleicht für unser höheres größeres Selbst. Der Clown geht Probleme nicht mit Humor an, sondern indem er merkt, was andere vermissen. Er lernt, in seinen Wahrnehmungen sehr präsent zu sein. Er ist offen für das Paradox dessen, was er wahrnimmt, ohne zu versuchen, es zu beurteilen. Das Paradox kann gemäß Oxford English Dictionary als eine scheinbar absurde oder sich selbst widersprechende Aussage oder als entsprechender Vorschlag definiert werden, welche tatsächlich wahr sein können. Der beste Ort für einen Clown ist, wo Schwierigkeiten und Nachteile schwerwiegend sind. Je härter, je dunkler, je kälter, desto besser für den Clown. Denn er weiß, dass da das Paradoxe liegt, das Unerwartete, die Überraschung. Dort verbirgt sich die Wärme und das Licht in entsprechender Kraft!
Was haben Clowning und anthroposophischer Schulungsweg gemeinsam?
Debora Kleinmann, alias Libella Staunen, Ehrfurcht, Vorurteilslosigkeit, Ergebenheit und Hingabe, das sind alles Haltungen, die das kleine Kind noch ganz unbewusst hat und die ihm den Weg ins Leben und zum ‹Begreifen› der Welt ermöglichen. Sie führen das Kind zu einem Beziehungsverhältnis und Verstehen zwischen Ich und Welt. Wenn wir uns als Erwachsene auf den Weg des Clowns machen wollen, so sind genau solche Seelenhaltungen unbedingt erforderlich, wenn ein authentisches Spiel entstehen soll. Nur so kann in der Begegnung mit einem Gegenüber (sei dies im offenen Setting bei einer Clownvisite oder bei einem Publikum) ‹das Kind› im anderen Menschen berührt werden. Dann erkennt die Seele über das Gefühl sich selbst durch den Clown wieder. Und in dieser Berührung und Begegnung kann ein liebevolles, annehmendes Lächeln über die eigene Menschlichkeit mit all ihren Missgeschicken und Fehlern entstehen. Anders als beim Kind ist es nun jedoch dem Erwachsenen durch seine Ich-Fähigkeit möglich, sich dem Spiel hinzugeben und gleichzeitig sich von außen zu betrachten – dies schafft den Moment des Humors … und letztlich eine Annahme in Liebe!
Ein weiteres Thema beider Wege ist der Umgang mit der Leere. Im Clowning erfordert und bedeutet dies, ohne Programm und Planung in einen leeren Spiel-Raum zu gehen, offen mit allen Sinnen und ganzer Seele, um dann aus der Präsenz situativ und intuitiv im Jetzt zu handeln (zum Beispiel bei Clownvisiten in Krankenhäusern): ‹Dem Nichts einen Raum geben!› Im gegenwärtigen Zeitgeschehen wird für mich noch ein weiterer Gedanke aktuell: die Bedeutung dieser inneren Haltungen im Zusammenhang mit der Entwicklung des Denkens! In ‹Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes› (GA 134, 1. Vortrag) schildert Rudolf Steiner, wie das heutige, wissenschaftlich geprägte Denken zwar durchaus zu logisch richtigen Resultaten führt, dieses Denken jedoch nicht unbedingt an die Wirklichkeit herankommt. Wenn der Weg zu einem wirklichkeitsgetreuen und wahren Denken gefunden werden will, müssen diesem Denken vier innere Haltungen zur Seite gestellt werden. «Staunen, Verehrung, weisheitsvoller Einklang mit den Welterscheinungen, Ergebung in den Weltenlauf, das sind die Stufen, die wir durchzumachen haben und die immer parallel gehen müssen dem Denken, die niemals das Denken verlassen dürfen – sonst kommt das Denken zum bloß Richtigen, nicht zum Wahrhaftigen.»2 Die hier angeführten Grundhaltungen sind somit alle Voraussetzungen für eine innere Entwicklung.
Durch die Arbeit als Clownin haben die hier erwähnten Begriffe im Laufe der Jahre für mich wesentlich an Lebendigkeit und Verständlichkeit gewonnen. Sie sind greifbarer geworden. Es ist ein Repertoire an Übungen entstanden, das meines Erachtens auch für ‹Nicht-Clowns› eine Bereicherung sein dürfte. Ich würde daher gern zu diesem Thema einen Workshop ausarbeiten und anbieten, bei dem auf der Grundlage von ‹Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?›, ergänzt mit praktischen Übungen und Erfahrungen aus dem Bereich der Clownerie, gearbeitet wird. Interesse und Neugier geweckt? Dann bitte bei mir melden!
Der Clown lebt mit der Weisheit des Unperfekten. Hilft Humor, elastisch zu bleiben, nicht zu fest zu werden?
Robert McNeer, alias Cosmonaut Bob ‹Achte auf den Spalt› (Mind the Gap) – dieser Satz, den ich während einer U-Bahnfahrt in London gelernt habe, fasst die Weisheit der Clowns wunderbar zusammen. Für den Clown, wie für das kleine Kind, ist nichts zu klein, um es zu berücksichtigen. Und die Lücke, auf die es zu achten gilt, kann viele Dinge umfassen: die Kluft zwischen meinen Absichten und meinen Fähigkeiten – das Maß meiner Unvollkommenheit, die ich in meinem täglichen Leben mit viel Energie verstecke, in der mein Clown aber schwelgt; oder die Kluft zwischen meinem materiellen Leben und meinem Fantasieleben – wenn ich mir vorstelle, dass mein Stuhl zu einem Raketenschiff oder mein Schreibtisch zu einem Dinosaurier wird –, auch dies ein Moment, den ich in meinem täglichen Leben vertuschen oder ignorieren würde, den mein Clown aber zelebriert, weil er weiß, dass dies die Weisheit der Metapher ist, das Lebenselixier der Poesie. Aber vielleicht ist es die Kluft, auf die der Clown am meisten achtet, die Kluft zwischen dem Du und mir. Das ist die Kluft, die uns in unserem täglichen Leben oft am meisten zu schaffen macht: die Domäne des Missverständnisses, des doppelköpfigen Ungeheuers, des Urteils und der Selbstbeurteilung. Und genau diese Kluft überbrückt der Clown, je nachdem, ob er elegant ist oder nicht, mit Humor. Keiner von uns ist perfekt, und die Welt, in der wir leben, ist sicherlich nicht perfekt, aber der Clown hat die Fähigkeit, sich optimistisch in mehreren oft widersprüchlichen Welten zurechtzufinden, ohne sie zu einer einzigen Realität zusammenfassen zu müssen. Das ist die Weisheit des Unvollkommenen: das paradoxe Wissen des Nichtwissens, die Begegnung von Clown, Kind und Weisem.
Mehr zu den vier Clowninnen und Clowns:
Debora Kleinmann,
www.begegnungsarten.net
Catherine Bryden,
www.clownsforschung.de
Robert McNeer,
www.la-luna-nel-pozzo.com
Sebastian Jüngel, srmk.goetheanum.org/projekte/arbeitskreis-clown
Erschienen in: Das Goetheanum – Wochenschrift für Anthroposophie Nr. 25-26, 24. Juni 2022
Fußnoten
1- Spiritworking/featured columnist
2- Rudolf Steiner, Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes. GA 134, 1. Vortrag.