Bleiben Bayerns Bienen gentechnikfrei, Herr Söder?

Deutscher Berufsimkerbund und Aurelia Stiftung warnen vor dem drohenden Ende der gentechnikfreien Imkerei und Risiken für Bestäuber in den Naturräumen des Freistaats.

Eine klare Positionierung von Ministerpräsident Markus Söder ist nötig.

Das im Freistaat Bayern geltende Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen wird durch den im Juli 2023 von der EU-Kommission vorgestellten Verordnungsentwurf zur Pflanzenzucht mit neuen molekulargenetischen Werkzeugen und deren Anbau im Freiland ausgehebelt. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen Risikoprüfung und Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Pflanzen weitestgehend ausgesetzt und die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, nicht näher definierte „Maßnahmen zur Koexistenz“ zu ergreifen. Mit der Initiative „Gentechnikanbaufreie Kommune Bayern“, in der über 220 bayerische Gemeinden, Städte und Landkreise vertreten sind, und mit der Mitgliedschaft im Netzwerk gentechnikfreier Regionen in Europa setzen Staatsregierung und Kommunen seit vielen Jahren ein deutliches Zeichen gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.

Die Aurelia Stiftung und der Deutsche Berufs und Erwerbs Imker Bund (DBIB) informieren in einem gemeinsamen Brief den Bayerischen Ministerpräsidenten über die Folgen des EU-Kommissions-Entwurfs für die gentechnikfrei wirtschaftenden bayerischen Imker:innen sowie für Bayerns Naturräume und Ökosysteme. Demnach werde Bayern dem Willen der EU-Kommission folgend seine jahrzehntelang erfolgreiche gentechnikfreie Landwirtschaft verlieren und solle auch keine Möglichkeit haben, Gentechnik-Felder als solche auszuweisen. Das habe schwerwiegende Folgen für Bayerns Imker:innen, die fortan keinen gentechnikfreien Honig mehr gewinnen könnten.

Annette Seehaus-Arnold, Präsidentin des Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bund e. V.:

„Wie sollen Bayerns Imker und Imkerinnen gentechnikfreien Honig produzieren, wenn sie nicht einmal wissen, wo sich Felder mit Gentechnik befinden? Bio-Imker und Imkerinnen sind auch künftig gesetzlich verpflichtet, gentechnikfrei zu produzieren. In der Praxis allerdings wird es unmöglich sein, in Bayern gentechnikfreien Honig zu produzieren.“

Doch nicht nur die von der EU-Kommission beabsichtigte weitgehende Abschaffung der Gentechnik-Kennzeichnung sei inakzeptabel. Auch der angekündigte Verzicht auf die bislang geltende Einzelfall-Umweltverträglichkeitsprüfung für Gentechnik-Pflanzen berge erhebliche Gefahren für Bayerns Natur. Der Deutsche Berufsimkerbund und die Aurelia Stiftung verwiesen in dem Zusammenhang auf eine Studie der Universität Zürich, nach der ein einzelnes Gen ein ganzes Ökosystem beeinflussen kann.

Bernd Rodekohr, Leiter des Projekts „Biene und Gentechnik“ bei der Aurelia Stiftung:

„Die nach den Plänen der EU-Kommission bevorstehende Freisetzung einer großen Zahl nicht risikogeprüfter gentechnisch veränderter Pflanzen mit neuen Eigenschaften würde für Bienen, andere Bestäuber und Insekten ein nicht kalkulierbares Risiko durch Wechselwirkungen untereinander und mit der Umwelt bedeuten. Zum Beispiel können durch Pollenflug neue, für Bestäuber schädliche, Veranlagungen auch in verwandte Arten und in Wildpopulationen auskreuzen.“

Die Aurelia Stiftung und der Berufsimkerbund appellieren an den Bayerischen Ministerpräsidenten, sich im Interesse der gentechnikfreien bayerischen Landwirtschaft, der bayerischen Imker:innen und aller bayerischen Honig- und Wildbienen, für eine klare Regulierung der Neuen Gentechnik auf EU-Ebene einzusetzen. Markus Söder müsse auf Zulassungsverfahren mit individueller Risikoprüfung und Kennzeichnungspflicht für alle mit Hilfe neuer gentechnologischer Verfahren erzeugten Pflanzen und Tiere bestehen.

Pressemitteilung

Aurelia-stiftung

Weitere Informationen:

Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder vom 11. September 2023:

https://www.aurelia-stiftung.de/wp-content/uploads/2023/09/Brief-an-Ministerpraesident-Soeder_DBIB_Aurelia_11.09.23.pdf

Weitere Infos der Aurelia Stiftung zum Thema:

www.biene-gentechnik.de

Deutscher Berufsimkerbund unterstützt das Bündnis „Bayern für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“:

https://berufsimker.de/buendnis-bayern-fuer-eine-gentechnikfreie-natur-und-landwirtschaft/

Artikel zum Thema, Informationsdienst Gentechnik:

https://www.keine-gentechnik.de/nachricht/34809?cHash=1104445cb5696fd2c21144fa97c9fc39

Vorschlag der EU-Kommission zu neuen genomischen Verfahren:

https://food.ec.europa.eu/plants/genetically-modified-organisms/new-techniques-biotechnology_de

FAQ zu Gentechnik, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV):

https://www.bmuv.de/service/fragen-und-antworten-faq/

Studien:

  • Ein einzelnes Gen kann ein ganzes Ökosystem beeinflussen (Universität Zürich): https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2022/Schl%c3%bcsselgen.html
  • Ungewollte und unerwartete Auswirkungen einer Freisetzung von genomeditierten Pflanzen auf Ökosysteme (Katharina Kawall): https://enveurope.springeropen.com/counter/pdf/10.1186/s12302-021-00482-2.pdf
  • Neue Gentechnik zeigt bisher unbekannte Dimension von Umweltrisiken (Testbiotech): https://www.testbiotech.org/aktuelles/publikation-ueber-neue-gentechnik-zeigt-bisher-unbekannte-dimension-von-umweltrisiken
  • Pflanzen vermeiden gefährliche Mutationen (Max-Planck-Gesellschaft): https://www.mpg.de/18127703/0111-entw-ein-schritt-voraus-wie-pflanzen-gefaehrliche-mutationen-vermeiden-151730-x