Versinkt die Welt im Chaos?

Zu den übersehenen Ursachen von Rüstung und Krieg

Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene massive Aufrüstung liefert den geradezu tumorhaft wachsenden Geldvermögen lukrative Anlagemöglichkeiten. Auch die Wiederherstellung der kriegszerstörten Infrastruktur ist für die westlichen Konzerne ein lohnendes Geschäft. Der Ausverkauf der Ukraine ist längst im Gange. Auch im Jugoslawienkrieg wurde bereits vor der Zerstörung vieler Städte über deren Wiederaufbau verhandelt – natürlich mit westlichem Kapital.

Rudolf Steiner diagnostizierte bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg: „Und sieht man etwas genauer hin auf das bedeutsamste Kennzeichen des Kapitalismus, so findet man gerade, daß er gewissermaßen seinen Auslauf fand in der furchtbaren Weltkatastrophe. Welches ist denn eines der hauptsächlichsten Kennzeichen der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung? Es ist dies, daß der Mensch ausgeht für sein Erwerbsleben, für seine Bereicherung von der sogenannten Rentabilität, der Anlagefähigkeit des Kapitals. Nun frage ich Sie: Wieviel ist denn in den Ursachen der Schreckenskatastrophe von dem darinnen, was sich zurückführt auf die Anlagefähigkeit von Kapitalien im Großen?“(1) 

Gefahr besteht vor allem dann, wenn die Geldvermögen schneller wachsen als die volkswirtschaftliche Leistung. Bereits Rudolf Steiner warnte in einem  Vortrag vom 30.11.1918: „Es gibt heute etwas höchst Unnatürliches in der sozialen Ordnung, das besteht darin, dass das Geld sich vermehrt, wenn man es bloß hat. Man legt es auf eine Bank und bekommt Zinsen. Das ist das Unnatürlichste, was es geben kann. Es ist eigentlich ein bloßer Unsinn. Man tut gar nichts; man legt sein Geld, das man vielleicht auch nicht erarbeitet, sondern ererbt hat, auf die Bank und bekommt Zinsen dafür. Das ist ein völliger Unsinn.“(2)

Dieser „Unsinn“ wurde bereits vor zweitausend Jahren in alten jüdischen Weisheitslehren kritisiert. Das Ringen um den Zins durchzieht wie ein roter Faden die Geschichte der christlichen Kirchen. Und der Islam hält bis heute – wenn auch eher formal – am Zinsverbot fest. 

Natürlich können Zinsverbote keine Lösung für unser heutiges Wirtschaftssystem sein. Und so gehen auch Rudolf Steiners Hinweise für eine mögliche Lösung in eine andere Richtung.

Folgende Überlegungen mögen den Zugang zu Steiners Ansatz erleichtern: Wenn die Geldvermögen nämlich durch Zinsen wachsen, müssen auch die Schulden gewissermaßen spiegelbildlich größer werden. Das ist eine uralte volkswirtschaftliche Erkenntnis. Mit wachsenden Schulden sind nun aber wiederum wachsende Zinsaufwendungen verbunden, die die Volkswirtschaft belasten und vor allem von den ärmeren Bevölkerungsschichten aufgebracht werden, wohingegen eine immer reicher werdende Minderheit ohne eigenes Zutun profitiert. Um die Last der steigenden Zinszahlungen abzumildern, sprich extreme soziale Schieflagen zu vermeiden, muss die Wirtschaft wachsen. Mit dem Konsequenz der drohenden Vernichtung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. 

Eine mögliche Lösung könnte in einem Abbremsen des Geldvermögenswachstums bestehen. Steiner selbst sprach davon, dass das Geld „stinkend“ bzw. „stinkig“ werden müsse. Geld müsse altern, so Steiner im Nationalökonomischen Seminar. (3) Auch damit es, so Steiner an anderer Stelle, nicht zurückbehalten werde. (4)

Ein „Zurückbehalten“ hätte in der Tat fatale Folgen: weil der Vermittler fehlt, kämen Angebot und Nachfrage nicht zusammen, eine deflationärer Wirtschaftszusammenbruch wäre die Folge. Richtig durchgeführt, könnte ein alterndes Geld also den Fluss des Geldes sprich den Geldumlauf sichern und zudem die Kriegsgefahr verringern. Aufgrund des geringeren Wachstumsdrucks würden unsere natürlichen Lebensgrundlagen geschont.

Es ist dringend notwendig, möglichst rasch einer breiten Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Geldalterung plausibel zu machen, ohne dabei gleich auf technische Details einzugehen. (5)

Klar sollte allerdings sein, dass mit der „Alterung“ des Geldes keinesfalls dessen Inflationierung verbunden sein sollte. Auch dazu gibt es einen Hinweis Rudolf Steiners. Die Inflation haben wir schließlich schon heute – mit ebenfalls fatalen Folgen.

Frank Bohner

(1) Vortrag vom 13.5.1919 in Rudolf Steiner, Neugestaltung des sozialen Organismus. 

GA 330/331, S. 164f.

(2) Rudolf Steiner, Die soziale Grundforderung unserer Zeit. In geänderter Zeitlage. 

GA 186, S. 50f

(3) Rudolf Steiner, Nationalökonomisches Seminar. GA 341, S. 77f 

Siehe auch Dieter Suhr, Alterndes Geld. Das Konzept Rudolf Steiners aus geldtheoretischer Sicht.  Schaffhausen 1988 

(4) Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft (GA 23), 6. Aufl. 1976, S. 132

(5) siehe auch https://anthrowiki.at/Mammon#Mammon,_Mephisto,_Ahriman 

Bücher:

Lothar Vogel: Die Verwirklichung des Menschen im sozialen Organismus (antiquarisch erhältlich)

Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das allen dient (antiquarisch erhältlich)

Werner Onken (2022): Marktwirtschaft ohne Kapitalismus. 

Volltext siehe https://www.werner-onken.de/buecher/marktwirtschaft-ohne-kapitalismus-von-der-akkumulation-und-konzentration-in-der-wirtschaft-zu-ihrer-dezentralisierung.html

Internet:

Helmut Creutz: Wirtschaftliche Triebkräfte von Rüstung und Krieg, siehe

https://inwo.de/gesellschaft-aktuell/wirtschaftliche-triebkraefte-von-ruestung-und-krieg.html

bzw. www.helmut-creutz.de