Lehrkräftemangel

Privatschulverbände im Dialog mit der Bildungspolitik

Privatschulen in Hessen sehen sich mit den Auswirkungen des allgemeinen Lehrkräftemangels konfrontiert. Dabei stehen sie im Wettbewerb zu staatlichen Schulen. Weitere Maßnahmen des Landes gefordert.

Angesichts des sich zuspitzenden Lehrkräftemangels und der bevorstehenden Landtagswahl haben der Verband Deutscher Privatschulen Hessen, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen und weitere Verbände des freien Schulwesens zum Dialog mit der Bildungspolitik eingeladen. Etwa 200 Privatschulträger, Schulleitungen und Lehrkräfte sind am Donnerstag, 25.05., der Einladung ins Kulturforum Wiesbaden gefolgt, um mit Kultusminister Lorz und den bildungspolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen über den Lehrkräftemangel an Ersatzschulen zu diskutieren.

In Deutschland sind nach Angaben der Kultusministerien der Länder über 12.000 Lehrerstellen unbesetzt. Auch Hessen ist betroffen. Dabei macht sich der Mangel im Grundschulbereich und in den MINT-Fächern zunehmend auch an Privatschulen bemerkbar.

Um dem drohenden Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, haben die Verbände des freien Schulwesens mit dem Land Hessen Maßnahmen verhandelt und teils bereits umgesetzt. Insbesondere die verbesserte Finanzausstattung, die jüngst im Landtag eingebracht wurde und ab dem Jahr 2024 greifen wird, ermöglicht es den Ersatzschulen, Gehälter zu zahlen, die mit der Inflation und der Gehaltsentwicklung an öffentlichen Schulen mithalten können. Dabei haben Ersatzschulen die Möglichkeit, nicht nur Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen, sondern auch beamtete Lehrkräfte im Privatschuldienst. Die Zahl der dafür vorgesehenen Leerstellen wurde im Doppelhaushalt des Landes der Jahre 2023/24 um ca. 12 Prozent auf 830 erhöht. Zudem wurden mit der letzten Schulgesetzänderung im Dezember 2022 die Bedingungen für den Einsatz von Lehrkräften an Ersatzschulen vereinfacht. Statt des bisherigen Genehmigungsprozesses der Schulämter können die Schulleitungen von Ersatzschulen nun über die Anstellung und den Einsatz der Lehrkräfte selbst entscheiden. Dies trifft auch auf Quereinsteiger zu, die im Rahmen ihrer Tätigkeit pädagogisch nachqualifiziert werden können.

Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz, der das Grußwort der Veranstaltung übernahm, kommentierte die Schulgesetzänderung wie folgt: „Durch die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Lehrkräften in Ersatzschulen haben wir Flexibilität geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit hergestellt“.

Die Position der Landesregierung wurde auf dem Podium durch Dr. Horst Falk (CDU) und Daniel May (Bündnis 90 / Die Grünen) vertreten. Dabei stellte Falk fest, dass Privatschulen das öffentliche Schulwesen ergänzen und bereichern. „Wir stehen an ihrer Seite und haben nicht nur die finanzielle Ausstattung staatlicher Schulen deutlich verbessert, sondern auch die privaten Ersatzschulen als festen Bestandteil unserer Schullandschaft gefördert.“ May ergänzte den Koalitionspartner: „Wir machen Schulpolitik mit den Beteiligten, nicht gegen sie.“

Die Opposition wurde auf dem Podium durch Elisabeth Kula (LINKE), Christoph Degen (SPD) und Moritz Promny (FDP) vertreten. Kula nutzte die Bühne, um auf Defizite im öffentlichen Schulsystem hinzuweisen: „Die Attraktivität der Privatschulen im Vergleich zu staatlichen Schulen ist ein deutlicher Fingerzeig auf die bestehenden Probleme im öffentlichen Bildungssystem. Um Privatschulen überflüssig zu machen und eine hochwertige Bildung für alle zu gewährleisten, bedarf es einer Reform und einer verbesserten finanziellen Ausstattung des öffentlichen Schulsystems.“

Degen griff die Defizite auf, um durch konkrete Vorschläge Alternativen zur aktuellen Bildungspolitik aufzuzeigen: „Der Lehrermangel, den die Landesregierung zu verantworten hat, darf den Ersatzschulen nicht zum Nachteil gereichen. Wir setzen uns für eine Steigerung der Ausbildungskapazitäten ein und werden Programme zum qualifizierten Quereinstieg auf den Weg bringen. Wir setzen dabei auf die Einbindung freier Träger. Zudem stehen wir für eine verlässliche Finanzierung der Ersatzschulen, die sicherstellt, dass diese ihre Lehrkräfte angemessen bezahlen können und das Sonderungsverbot auch tatsächlich eingehalten werden kann. Leerstellen müssen für alle gleichermaßen verfügbar sein. Unterstützungssysteme, wie Beratungs- und Förderzentren, sollen auch von Ersatzschulen genutzt werden dürfen.“

Promny stellte zudem die Bedeutung und die Leistungen der Ersatzschulen für die Gesellschaft heraus: „Privatschulen sind aufgrund ihres meist besonderen Profils und als Treiber pädagogischer Innovationen mehr als ein wichtiger Bestandteil des Schulsystems – sie sind eine Bereicherung. Deshalb sollte es selbstverständlich sein, dass Ersatzschulen vom Land auskömmlich finanziert werden. Privatschulen leiden genau wie staatliche Schulen unter Lehrkräftemangel, der im gesamten System bekämpft werden muss. Das erfordert ein attraktives Lehramtsstudium, aber auch eine Ausweitung von Quereinstiegsprogrammen sowie konkret für Ersatzschullehrkräfte einen besseren Zugang zu qualifizierenden Weiterbildungen.“

Der Journalist Andrej Priboschek, der als Bildungsexperte und Herausgeber von News4teachers die Diskussion einordnete, fand Lob und Tadel an der hessischen Privatschulpolitik. Es sei im eigenen Interesse des Landes, Ersatzschulen zu stärken und für deren Lehrkräfte zu sorgen. „Ersatzschulen fungieren oft als Ausputzer und Lückenbüßer, wenn staatliche Schulen scheitern. Die Lage wäre noch viel schlimmer, wenn es die Privatschulen nicht gäbe.“ Da passe der Ausschluss der Privatschullehrkräfte von der Akademie des Landes nicht ins Bild.

Die Verbände des freien Schulwesens erkannten in der Diskussion die verbesserten Rahmenbedingungen an. So stellte Dr. Falk Raschke, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Privatschulen Hessen, fest „dass die auskömmliche Finanzausstattung, der vereinfachte Lehrkräfteeinsatz und die erweiterte Möglichkeit, Beamte zu beschäftigen, die Wettbewerbsnachteile gegenüber staatlichen Schulen zwar verringern, aber dass dies noch nicht bedeutet, dass Ersatzschulen gleichbehandelt werden.“

Ersatzschulen sind im Grundgesetz als gleichberechtigte Säule des öffentlichen Schulwesens verankert. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Schutz- und Förderpflichten, die durch das Land Hessen sukzessive umgesetzt werden. Neben der Finanzausstattung umfasst dies insbesondere die Lehrkräfteausstattung.

„Das Land muss für die Bedarfe der Ersatzschulen ausreichend viele Lehrkräfte ausbilden und bereitstellen. Angesichts des zunehmenden Mangels sind die bisherigen Maßnahmen zu begrüßen, aber in Summe noch nicht ausreichend.“, so Dr. Steffen Borzner, Geschäftsführer der LAG Freie Waldorfschulen Hessen. „Das staatliche Aus- und Weiterbildungsmonopol und der fehlende Zugang der Ersatzschulen zu den Angeboten der Hessischen Lehrkräfteakademie führen zu einer strukturellen Unterversorgung mit geeigneten Lehrkräften, die auch nicht durch Quereinsteiger auszugleichen ist.“

Die Verbände des freien Schulwesens forderten ferner eine Liberalisierung der Lehrkräfteausbildung und griffen dabei einen bereits im Jahr 2018 vom Verfassungsrechtler Prof. Dr. Udo Di Fabio formulierten Appell auf: „Die staatliche Infrastrukturverantwortung für die Ausbildung und Verfügbarmachung von qualifizierten Lehrkräften für das gesamte öffentlich und privat getragene Schulangebot erfordert eine stärkere Beteiligung der freien Schulträger …, gegebenenfalls auch durch privat getragene pädagogische Studienzweige oder private Hochschuleinrichtungen.“

Die Ersatzschulen und die Träger der freien Bildung stehen bereit, an der Lösung des Lehrkräftemangels mitzuwirken. Die Äußerungen der verantwortlichen Bildungspolitiker und die bereits getroffenen Maßnahmen zeigen einen Veränderungswillen, der in weiteren Verbesserungen der Bildungsqualität und -chancen im Privatschulsystem münden könnte.

Freie Waldorfschulen in

Hessen, Landesarbeitsgemeinschaft e.V.