Heisst Frieden richtig kämpfen?

Bei einem Mitarbeitertreffen der Arbeitszentren Hannover, Frankfurt und Nord Anfang 2023 kam anlässlich des Krieges in der Ukraine die Frage auf: Was können wir als Anthroposophen zur Friedfertigkeit in der Welt beitragen? Im Gespräch begann uns schnell das Thema Frieden und Friedensfähigkeit ganz grundsätzlich zu interessieren, denn auch die Anthroposophische Gesellschaft gibt uns Anlass genug, diese Frage zu stellen. Wie können wir konstruktiv mit Konflikten umgehen? Wie können wir dem anderen Menschen ein Lebensrecht einräumen, aber zugleich auch ehrlich uns selbst gegenüber bleiben? Kann ein Kämpfen am richtigen Ort, in der richtigen Weise vielleicht sogar friedenstiftend sein?

Begreifen wir den Krieg draußen in der Welt als ein Abbild des seelischen Unfriedens, so würde das viel Arbeit an uns selbst bedeuten. Aber Frieden schaffen kann nicht heißen: zu einer gleichen Meinung kommen, „faule“ Kompromisse aushandeln oder Konflikte unter den Teppich kehren. Die Welt braucht Auseinandersetzungen, sie braucht das Ringen um den bestmöglichen Weg. Doch wie? Eine ehrliche Auseinandersetzung ist ja noch kein Krieg – wann aber droht das eine in das andere zu kippen? So schnell können die kleinsten inhaltlichen Differenzen Anlass geben für gegenseitige Verletzungen, Misstrauen, ja sogar gegenseitigem Hass.

Die Anthroposophie gibt uns das Ideal an die Hand: „Leben in der Liebe zum Handeln und Leben-Lassen im Verständnisse des fremden Wollens.“ Sind meine Taten wirklich aus Liebe entstanden? Was heißt „aus Liebe“? Können Taten aus Fanatismus Taten aus Liebe sein? Wo ist der Unterschied? Kann ich das andere, das fremde Wollen, „leben lassen“? Was macht es mit mir? Warum will ich es manchmal vernichten? Was bedroht mich daran und wie kann ich die notwendige Ertragsamkeit für „das Fremde“ ausbilden?

Eine erste Frage ist immer: Habe ich den anderen Menschen überhaupt richtig verstanden? Kann ich aus seinem Blickwinkel sehen? Spürt mein Gegenüber, dass ich es ernstnehme? Bin ich in der Lage, ganz freilassend Angebote zu machen, die neue Blickwinkel eröffnen?

Wenn es aber am Verstehen nicht liegt, sondern tatsächlich zwei verschiedene Willensrichtungen aufeinandertreffen und jedes weitere Verstehen das nur immer schärfer verdeutlicht, was dann? Wie entwickeln wir die nötigen neuen Ideen, die Spaltungen und Meinungsverschiedenheiten überbrücken könnten? Nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, sondern neu denken, sich inspirieren lassen, „moralische Phantasie“ ausbilden. Welche „Bedingungen“ hat diese Sorte von Inspirationen?

Kämpfen lernen an den richtigen Orten, in der richtigen Weise bedeutet Ausbildung einer inneren sowie äußeren Kultur. Verantwortliche der drei genannten Arbeitszentren wollen das Gespräch anregen: Was macht uns friedensfähig? Wie kommen wir zu konstruktiven Auseinandersetzungen, in die die geistige Welt ihre Inspirationen senden kann?

Anke Steinmetz

AGiD, Arbeitszentrum Nord