Eine Atmosphäre erzeugen, in der Dinge möglich werden

Tom Tritschel arbeitet seit Jahren als Priester der Christengemeinschaft in der Gemeinde Bochum. Nun ist er neues Vorstandsmitglied der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGiD). Im Kurzinterview erklärt er, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat und welche Perspektiven er für die Zukunft der AGiD sieht.

Sebastian Knust: Neben Deiner Berufslaufbahn als Pfarrer der Christengemeinschaft hast Du jetzt eine neue Aufgabe angenommen: die Vorstandstätigkeit bei der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Aus welchen Motiven heraus bist Du diesen Schritt gegangen?

Tom Trischel
Foto: Michael von der Lohe

Tom Trischel: Zunächst berührt mich sehr das Vertrauen so vieler Menschen bei der Mitgliederversammlung, die mich gewählt haben, obwohl sie mich größtenteils gar nicht kennen. Dass ich nun Vorstand bin, hat schon einen längeren Vorlauf: Ich arbeite seit 15 Jahren im Kollegium des Arbeitszentrums NRW und dann auch im „Erweiterten Vorstand“ der AGiD. Daher kenne ich einen Teil des bestehenden Vorstands bereits gut.

SK: Welche Aufgaben und Schwerpunkte siehst Du bei Deiner zukünftigen Tätigkeit bei der AGiD?

TT: Was habe ich vor? Das ist immer so ein Ding. Ich habe eigentlich nie etwas vor. Das klingt vielleicht ungewöhnlich, aber ich komm ja aus der DDR – mit „Planwirtschaft“ habe ich nicht so viel am Hut. Daher möchte ich jetzt erst einmal schauen, wie der Hase läuft, wie fühlt es sich an? Aus diesen Eindrücken wird sich dann schon zeigen, was werden kann. Aktuell kann ich anbieten, mitzudenken und zu schauen, wie wir zusammenarbeiten können. Gleichzeitig habe ich ja auch noch eine volle Stelle als Priester in meiner Gemeinde, das muss dann auch zusammenkommen.

SK: Ok, dann dreht ich die Frage einmal um: Welche Fähigkeiten und Qualitäten kannst Du einbringen?

TT: Mein Arbeitsfeld ist, aus der Kunst kommend, im Sozialen zu plastizieren. Was ich für immer wesentlicher halte, ist z.B. eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, in der Dinge möglich werden. Wenn diese von vorneherein nicht stimmt, dann klemmt alles. Ich möchte mit einem künstlerischen Blick schauen: Wo werden Dinge fest, wo kann man Prozesse wieder in Gang bringen? Das ist mein Feld, das verdanke ich Joseph Beuys, der ein Lehrer für mich ist. Dann ist es für mich auch wichtig, dass man die verschiedenen Strömungen innerhalb der Anthroposophischen Bewegung zusammenbringt, sodass z.B. auch die Christengemeinschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft vertreten ist. Dafür habe ich ein Mandat seitens der Leitung der Christengemeinschaft erhalten, weil ich finde, dieser Austausch sollte mehr sein als nur mein persönliches Ehrenamt.

SK: Welche Perspektiven siehst Du bei der Anthroposophischen Gesellschaft, wohin kann es gehen?

TT: Das mag jetzt sehr konservativ klingen – aber ich möchte beitragen, eine gewisse Kontinuität zu bewirken. Ich möchte dafür stehen, dass die Geisteswissenschaft weiterhin gepflegt und entwickelt wird. Außerdem habe ich die Idee, einen Raum, eine Plattform für die verschiedensten Initiativen zu bilden. Das Bild von der Anthroposophie als „Mutter“ finde ich ganz gut im Sinne eines Zuhauses, wo jeder an Weihnachten gern kommt und dann mit der „Mama“ feiert… – klingt ein wenig kitschig, aber eben nur, wenn man von Weihnachten ein Kitschbild im Kopf hat und nicht den Ort meint, an dem das Wort, der Logos, der Creator geboren wird…

SK: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte

Sebastian Knust

erschienen im Newsletter der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

Tom Tritschel | geboren 1958 in Weimar, ist verheiratet und hat fünf Kinder. Seine vielfältigen Lebensstationen umfassen: Schriftsetzer, Gartenarbeiter, Fensterputzer, Punk-Band, Studium Malerei und Grafik bei Horst-Peter Meyer in Weimar, Freie Internationale Universität (gegründet von Joseph Beuys), Demokratie-Initiative 89/90, Neues Forum. Später studiert er am Priesterseminar der Christengemeinschaft in Leipzig und Stuttgart und ist seit 1993 Pfarrer in den Gemeinden Stuttgart-Möhringen, Schwäbisch Hall, München und seit 2006 in Bochum. Gleichzeitig lehrt er am Priesterseminar der Christengemeinschaft in Hamburg. Seit 2008 ist er Kollegiumsmitglied des Arbeitszentrums NRW und seit 2022 Teil des Vorstands der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland.