Worum es wirklich geht

Unter dem Titel „Kinder, die aus dem Rahmen fallen“ habe ich in den letzten Jahren eine Fortbildungsreihe mit Henning Köhler besucht. Viele verschiedene Facetten dieses riesigen Themas wurden aufgegriffen: Autismus, Ängste, Sinneslehre, christliches Beratungsgespräch, Was ist Behinderung?, Geburt und frühe Kindheit, um nur einige zu nennen. Jedes dieser Themenbereiche wurde von verschiedensten Seiten aufgerollt. Henning Köhler führte zu jedem Thema aktuelle, moderne Forschungsergebnisse, neue und alte philosophische Denkweisen, sowie seine vielfältigen Erfahrungen aus eigener Berufspraxis aus.

Was sein Herzensanliegen und stets zu spüren war, war eine den Menschen wohlwollend zugewandte innere Haltung als Grundlage der pädagogischen Arbeit zu etablieren – gerade dann, wenn Schwierigkeiten auftreten. Nichts Neues könnte man meinen – und dennoch. Sich zu bemühen, das Kind, den Jugendlichen, die Eltern in seinem/ihrem So-sein, in seiner/ihrer Besonderheit zu verstehen, und nicht zu ver- oder zu beurteilen. Nöte, die sich offenbaren, nicht ab zu qualifizieren und mittels einer Diagnose eine schnelle Lösung zu präsentieren, sondern sie ernst zu nehmen und ihren Sinn zu erfassen. Die Absonderlichkeit nicht zu bewerten, sondern nach ihrem Platz in dieser Welt zu suchen. Das waren die Quintessenzen, die ich mitgenommen habe.

Getragen wurden Henning Köhlers Vorträge von einer Spiritualität, die auf Freiheit beruht, die nicht aufdringlich und mit erhobenem Zeigefinger in besserwisserischer Manier sagt, was richtig oder falsch ist. Es waren überzeugende Angebote, die mitunter über den Menschen hinaus wiesen. Er sprach von Engeln und über Gewissheiten, die außerhalb der sichtbaren Welt liegen, und ich konnte folgen. Es war kein salbungsvolles esoterisches Geplapper, sondern gut recherchiertes vom Alltag überprüftes tiefes Wissen, das er uns vermittelte. Seine Praxistipps waren frei lassende Anregungen, keine methodischen Krücken oder To-do‘s. Vergangene Woche hat Henning Köhler diese Welt verlassen. Das Lebenswerk, das er hinterläßt ist enorm. Viele Ratsuchende, Kinder, Jugendliche und Eltern, aber auch Kolleginnen, Erzieherinnen, Lehrer*innen werden ihn bitter vermissen.

Im Seminar für Waldorfpädagogik Köln, das der Veranstalter der Fortbildungsreihe ist, will man weitermachen. Wie das ohne Henning Köhler aussehen kann, ist natürlich noch offen. Doch wird es in seinem Sinne und Geist, auf der Grundlage seiner Haltung und Ideen sein. Und sicherlich wird er es nun aus einer anderen Warte begleiten.

Hildegard Golla