Kuckuck, Gedanken, wo habt ihr euch versteckt?

Der rote Vorhang ist geschlossen. Davor stehen zwei Stellwände mit Fenster und Bildern. Ein Tisch und vier Stühle. Und dann spielt das Klassenorchester Musik aus der Suite „How to Train Your Dragon“ – die Streicher summen tief, eine Trompete leuchtet hell auf, und man spürt förmlich, wie Drachenschwingen durch den Saal gleiten – ein herrliches Gefühl. Doch die Musik verändert sich, das Übel kündigt sich an, gefolgt von Hoffnung. Das Theaterstück beginnt.

Katze und Kater allein Zuhaus, ein herrlich keckes Duo. Ein Fremder taucht auf, Lanzelot. Ein prächtiger Kerl in weißem Gewand und mit feurig glühenden Wangen. Die Katzen spielen mit ihm und sind nicht besonders auskunftsfreudig, denn „wenn du’s warm und weich hast, tust du am klügsten, wenn du vor dich hindöst und schweigst“. Doch Lanzelot lässt sich nicht so leicht abwimmeln und erfährt vom dreiköpfigen Drachen, der seit 400 Jahren die Stadt beherrscht und dem als nächstes die Tochter des Hauses geopfert werden soll.

Daran ist auch wirklich nichts zu ändern, versichern die Herrschaften des Hauses, die Eltern der schönen Elsa, aber das sieht der mutige Lanzelot anders. Und sofort fällt einem der Spruch ein: Alle haben gesagt, es geht nicht, aber dann kam einer, der hat das nicht gewusst und es einfach gemacht. – Nun, ganz so einfach geht es dann doch nicht. Der Drache lässt sich blicken: zuerst in Gestalt einer wunderschönen, eleganten jungen Frau in feuerrot, dann in Gestalt eines in violett gekleideten, schlangeartig sprechenden jungen Mannes, der als „Sohn des Krieges“ Lanzelot sofort töten will, aber der Hausherr, ein couragierter Archivar, stellt sich mutig vor den Fremden und erinnert den Drachen an ein altes Schriftstück, dass besagt, dass der Herausforderer den Termin für den Kampf bestimmen kann. Welch amüsanter Kniff. Lanzelot gewinnt Zeit und verliebt sich Hals über Kopf in die schöne, so anmutig und selbstbewusst gespielte Elsa, die lieber sterben will, als gerettet zu werden.

Das versteht Lanzelot nicht, denn „..sogar die Bäume seufzen, wenn man sie fällt“. Doch Elsa ist nicht die einzige, die Lanzelots Wagemut in Frage stellt. Der Bürgermeister, umwerfend komisch gespielt, lacht ihn sogar aus, wobei man ohnehin an dessen Verstand zweifelt, wenn er sagt: „Kuckuck, Gedanken, wo habt ihr Euch versteckt?“. Aber genau das scheint das Problem der ganzen Stadt zu sein, hier denkt keiner mehr, sondern befolgt die Befehle des tyrannischen Drachen, ohne sie zu hinterfragen. Und mögen sie noch so hinterlistig und böse sein, wie der vom Sohn des Bürgermeisters übermittelte Auftrag an Elsa, Lanzelot mit einem vergifteten Messer zu töten. Auch dieser junge Mann ist in Elsa verliebt, aber sie zu retten, daran denkt er nicht. Die Bewohner der Stadt tanzen vor dem herrlich gezeichneten Bühnebild wie Marionetten an des Drachen Kralle, begleitet von Cajon,

Klavier und Becken. Ein schöner Tanz, aber keiner von ihnen wirkt glücklich. Werden sie Lanzelot helfen, den Drachen zu besiegen? Der Bürgermeister darf entscheiden, welche Waffen die Stadt dem fremden Helden zur Seite geben wird, aber er hat den „Verstand verloren..“, und außerdem sagt er sich „so viele Jahre schon selbst nicht die Wahrheit, dass.. (er) ..vergessen hat, was das ist, die Wahrheit“. Lanzelot bekommt eine Salatschüssel und ein Tablett für den Kampf mit dem Drachen, der sich ein drittes Mal zeigt, wieder in Gestalt eines jungen Mannes, aber böser als zuvor, ganz in orange und mit tiefer Stimme. Mit dunklen Kräften wie „Darth Vader“ lässt er die Bewohner der Stadt auf die Knie sinken und Lanzelot ebenfalls. Er befiehlt Lanzelot zu warten, der Drache bestimmt, wann es losgeht: „Ein richtiger Krieg beginnt schlagartig“. Wie wahr, das kann die ganze Welt auch heute noch nur all zu gut bestätigen. Aber zurück zu Lanzelot. Wie soll er den Drachen besiegen können?

Mit ganz unverhoffter Hilfe von einer kleinen Gruppe mutiger Bewohner, die dem Helden einen fliegenden Teppich, eine Tarnkappe, ein Schwert und ein verzaubertes Cello schenken. Und so beginnt der Kampf zwischen Lanzelot und dem Drachen, der zum Stadtereignis wird und von allen Bewohnern beobachtet und sehr amüsant kommentiert wird, bis es ihnen verboten wird, in den Himmel zu schauen. Doch sie wissen sich zu helfen und benutzen Spiegel. Die „Kriegspropaganda“ des Drachen läuft auf Hochtouren, denn obwohl ein erster Drachekopf fällt, wird dem Volk vermittelt, dass der Drache quasi gewonnen hat. Die Leute glauben es oder wollen es glauben, einzig ein Kind stellt den ganzen Unsinn infrage, weswegen es von allen anderen immerzu als dumm bezeichnet wird. Doch Lanzelot besiegt den Drachen und verschwindet, unglücklicherweise.

Denn wo ein Tyrann geht, ist oft der nächste nicht weit weg. Der Bürgermeister wird zum Präsidenten, lässt Lanzelots Helfer einsperren, schreibt sich den Sieg über den Drachen auf die Fahnen und unterdrückt weiterhin die Stadt… bis Lanzelot ein Jahr später zurück kehrt und fassungslos festestellt: „Ich habe euch die Freiheit geschenkt. Und was habt ihr daraus gemacht?“. Das Volk besinnt sich und bittet Lanzelot um Geduld. Wer so lange nicht frei gedacht hat, muss es erst wider lernen. Lanzelot heiratet schließlich die schöne Elsa und endlich sind sich alle einig, was sie wollen: „Dona nobis pacem.“ Der Klassenchor singt das Lied so, wie Frieden eben ist – sanft und leise.

Dass ein 80 Jahre altes Theaterstück noch immer so aktuell ist?! Noch immer lebt die Welt nicht in Frieden, noch immer beherrschen uns Drachen, auch unserer eigenen tief in uns drin. Also sollten wir nicht müde werden, unseren Teil zum Frieden beizutragen, wie Lanzelot, mutig, offen, hinterfragend und – mit Liebe. Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit, dafür muss gekämpft und gerungen werden, immer und immer wieder. Danke an die sensationelle 8.Klasse, das Regieduo Marcus Lachmann und Melanie Monyer, die Klassenlehrerinnen und an alle Beteiligten für dieses großartige Klassenspiel. Wir haben gelacht, gestaunt, gegrübelt und sind mit Frieden im Herzen nach hause gegangen.

Mandy Cankaya