Johanniskraut – Licht für dunkle Tage

Das strahlende Gelb der Johanniskrautblüten erinnert an die Sonne. Damit gibt uns die Pflanze einen Hinweis auf ihre heilenden Kräfte, die z.B. bei der Behandlung von Depressionen helfen können. Doch der Befall durch die Johanniskrautwelke ist im Bio-Anbau ein Problem. Daher kümmert sich Ruth Richter vom Verein Hortus Officinarum mit Ihren Kolleg*innen um die Widerstandsfähigkeit der uralten Heilpflanze.

Woher kommt aktuell das Saatgut für Heilpflanzen?

In der anthroposophisch erweiterten Medizin werden ca. 300 Heilpflanzenarten verwendet. Für die meisten von ihnen ist bei verschiedenen Anbietern konventionelles Saatgut erhältlich. Aber um im Bioanbau gut zu gedeihen, sollten die Samen auch unter diesen Bedingungen gezüchtet sein. In Bioqualität sind nur die bekanntesten Arten verfügbar. Bio-dynamisches Saatgut bekommt man nur von einer beschränkten Anzahl an Arten; durch die Arbeit von Hortus Officinarum ist das Angebot schon deutlich g wachsen.

Warum alte Heilpflanzen neu züchten?

Von vielen Heilpflanzenarten gibt es schon über Jahrzehnte in der Verarbeitung bewährte Herkünfte. Bei diesen geht es um Erhaltungszucht, d. h. sie werden je nach Art alle drei bis acht Jahre angebaut und selektiert, indem das Saatgut nur von den gesunden und populationstypischen Pflanzen geerntet wird. Manchmal aber tritt bei einer Kultur eine Krankheit auf. Dann wird es nötig, das Problem über mehrere Generationen zu bearbeiten oder neues Saatgut hinzuzunehmen, und schon sind wir mitten in einem Züchtungsprojekt.

Was war Auslöser für die Johanniskrautzüchtung?

In den 1990er Jahren wurden wegen der steigenden Nachfrage nach Johanniskraut als Ausgangsmaterial für Antidepressiva die Anbauflächen in Europa ausgeweitet und damit hat der Befall mit Johanniskrautwelke stark zugenommen. Bioanbauer können die Felder oft nur im ersten Jahr beernten, dann muss die Kultur wegen des Pilzbefalls untergepflügt werden. Es besteht großes Interesse an welketoleranten Sorten. Wir konnten 2017 in einem Biodiversitätsprojekt im Rahmen des schweizerischen Aktionsplanes ca. 70 Johanniskraut-Herkünfte aus der schweizerischen Genbank sichten und haben dabei große Unterschiede im Pilzbefall festgestellt. Daher kam die Idee, aus diesem Bestand eine neue Sorte zu züchten.

Welche Gesichtspunkte leiten die Johanniskrautzüchtung?

Neben der Welketoleranz und dem qualitativen Bild einer „ordnenden Aufrichtkraft“ achten wir auf Parameter wie aufrechten Wuchs, einen kompakten Blütenhorizont und einen frühen Blühzeitpunkt um den Johannistag.

Wo steht das Projekt heute?

Angefangen haben wir mit 28 Herkünften, die sich durch schwachen Pilzbefall auszeichneten. Aktuell stehen Nachkommen von sechs Herkünften an drei Standorten zur weiteren Erprobung auf dem Feld, die sich gemäß unseren Bewertungen in den letzten drei Jahren bewährt haben.

Warum ist Johanniskraut aktuell so gefragt?

Starke Stimmungsschwankungen, die wir alle kennen, können sich bis zur Depression verdichten. Das passiert heute so vielen Menschen, dass die Depression als Volkskrankheit Nummer 1 gilt. Mit der Einnahme von standardisierten Johanniskrautpräparaten lässt sich gemäß zahlreicher Studien bei mittelschweren Depressionen die gleiche Wirkung erzielen wie mit Antidepressiva, und das mit viel weniger Nebenwirkungen.

Was kann jeder selbst einfach aus Johanniskraut herstellen?

Eine Zierde jeder Hausapotheke ist das leuchtend rote Johanniskrautöl, das bei rauer und entzündeter Haut, bei leichten Verletzungen und Verbrennungen oder für den wunden Babypopo heilend wirkt. Man pflückt dazu ein Glas voll Johanniskrautblüten, füllt Oliven-, Weizenkeim- oder Sesamöl ein, so dass die gesamten Pflanzenteile mit Öl bedeckt sind, und lässt das Ganze vier bis sechs Wochen an einem sonnigen Ort stehen. Gelegentlich leicht schütteln, dann abseihen und in einem dunkeln Glas bei Zimmertemperatur lagern.

Was ist die Mission von Hortus Officinarum?

Wir ergänzen die wertvolle Arbeit biodynamischer Gemüsezüchtungsinitiativen wie Kultursaat oder Sativa im Bereich Heilkräuter. Für die Zukunft brauchen wir für die anthroposophisch erweiterte Pharmazie Sorten, die an die Verhältnisse des biologischen Anbaus angepasst sind und aktiv mit Umweltveränderungen umgehen können.

Mit wie vielen Heilkräutern arbeitet ihr?

Wir haben zusammen mit unseren Netzwerkbetrieben inzwischen knapp 100 Arten bearbeitet. In intensiver aktueller Bearbeitung haben wir 20 bis 30 Arten, die über den Sativa-Onlineshop bestellt werden können.

Wer verwendet die von euch gezüchteten Sorten?

Die Hortus-Herkünfte werden von Kleingärtnern über Schaugärten bis zu ökologisch und bio-dynamisch arbeitenden Betrieben genutzt, die Heilpflanzen im großen Stil für namhafte Herstellerfirmen wie Weleda und Wala anbauen.

Was ist Ihr Lieblingsheilkraut?

Meine Lieblingsheilpflanze ist eigentlich die Urpflanze, d.h. sie sieht immer wieder anders aus. Aktuell ist es Artemisia annua, der einjährige Beifuss, eine Pflanze, die seit 2000 Jahren in der chinesischen Medizin gegen Entzündungen und fiebrige Infektionen verwendet wird. Wegen ihrer Wirksamkeit gegen Malaria ist sie auch in der westlichen Welt bekannt und gut untersucht worden. Daher weiß man, dass sie sowohl das Immunsystem reguliert als auch bei viralen Infekten wirksam ist. Das ist ja in der aktuellen Situation für viele Menschen von Interesse.

Was ist das nächste Züchtungsprojekt?

Wir wollen eine einigermaßen einheitliche Populationssorte von Artemisia annua züchten, die sowohl immunregulierende wie auch antimikrobielle Eigenschaften hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stella Bünger.

www.hortus-officinarum.org/de

Triticale trotzt dem Sturm

Als Futtergetreide etabliert, für die menschliche Ernährung bisher aber kaum in Betracht gezogen – dabei lässt sich die Triticale (eine Kreuzung aus Weizen und Roggen) auch wunderbar zu Brot verbacken. So wird die Nischensorte Tripanem bereits als Brot-Triticale kultiviert, vermarktet und von Bäckereien zu geschmackvollen Broten verbacken. Doch nicht alle Sorten haben diese positiven Backeigenschaften, weswegen sich ein genauer Blick lohnt.

Das neu angelaufene Projekt TRITICALE+ der Getreidezüchtung Peter Kunz hat zum Ziel, Qualitätsparameter herauszuarbeiten, um die Backeignung verschiedener Triticale-Sorten zu bestimmen. In Zusammenarbeit mit regionalen handwerklichen Bäckereien werden außerdem Verarbeitungsempfehlungen erarbeitet (s. Bestellangebot S. 4).

Triticale als Brotgetreide anzubauen ist ein Beitrag zur Diversität, schafft mehr Abwechslung in der Fruchtfolge und ist eine ressourcenschonende Alternative zu anspruchsvolleren Kulturen wie Weizen. Die Sorte Tripanem hat zudem eine besondere Robustheit und Standfestigkeit bewiesen: sie blieb trotz eines verheerenden Sturmes stehen, während drumherum alles zu Boden ging.

www.gzpk.chv