EU-Kommission will Gentechnikrecht deregulieren

Das Berliner Büro der Zukunftsstiftung Landwirtschaft „Save Our Seeds“ kritisiert undurchdachten Vorschlag zur Neugestaltung der EU Gentechnik-Gesetzgebung.

In einem online veröffentlichten „Inception Impact Assessment“ (einleitende Folgeabschätzung) vom 24. September informiert die Europäische Kommission die Öffentlichkeit und interessierte Kreise über ihre Absicht, die bisherige Gentechnik-Gesetzgebung so zu verändern, dass bei „durch gezielte Mutagenese und Cisgenese gewonnenen Pflanzen“ die bisherige Risikobewertung und Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen entfällt. Diese Umschreibung schließt die meisten Anwendungen der neuen Gentechnik ein, auch solche, bei denen zahlreiche Änderungen in einem Pflanzengenom vorgenommen werden. Außen vor bleiben lediglich Anwendungen, bei denen fremdes Erbgut, etwa von Bodenbakterien oder völlig artfremden Pflanzen eingebracht würde. Detaillierter hat die Kommission ihre Pläne nicht ausgeführt.

Folgende Kritikpunkte zu dem Vorschlag der EU-Kommission hat Save our Seeds formuliert:

  1. Der Vorschlag ist ein erster Schritt zur Deregulierung der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Er lässt allerdings kein Gesamtkonzept für eine neue Gentechnikgesetzgebung erkennen und berücksichtigt nicht die neuartigen Risiken und Gefahren, die sich aus der Anwendung neuer, wirkungsvoller Gentechniken ergeben.
  2. Die künstliche Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Gentechnik (gezielte Mutagenese, Cisgenese) verwirrt nur die grundlegende EU-Definition von GVO als Organismen, bei denen das „genetische Material in einer Weise verändert wurde, die in der Natur nicht vorkommt“, die vom Europäischen Gerichtshof erst 2018 erneut bestätigt wurde.
  3. Die Beschreibung dieser spezifischen GVO durch die Kommission klingt wie direkte Werbung für deren potenziellen Nutzen und lässt die kritische Distanz vermissen, die wir von einer öffentlichen Institution und unparteiischen Regulierungsbehörde erwarten.
  4. Das Vorsorgeprinzip als konstitutionelle Grundlage von EU-Umweltverträglichkeitsprüfungen wird in dem Vorschlag überhaupt nicht mehr erwähnt.
  5. Es wäre zwar wünschenswert, künftig im Rahmen von Technologiebewertungen und Genehmigungsverfahren soziale und Nachhaltigkeitskriterien systematisch zu berücksichtigen. Der Vorschlag, einen solchen Ansatz nur auf eine enge Klasse von GVO anzuwenden für auszuwählen, erscheint jedoch willkürlich. Ihm fehlt ein solider wissenschaftlicher, systematischer und kohärenter neuer Ansatz für die Produkt- und Technologiebewertung.

In der Antwort zum Kommissionsvorschlag fordert Save our Seeds:

  1. Alle GVO, ob aus älteren oder neueren Gentechnikverfahren gewonnen, sollten der üblichen Einzelfallgenehmigung und Risikobewertung für GVO unterzogen werden.
  2. Alle GVO-Produkte sollten klar gekennzeichnet werden, um Verbraucherinnen und Landwirtinnen eine wohlinformierte Wahl zu ermöglichen. Ein Nachweisverfahren zur Rückverfolgbarkeit eines GVO sollte weiterhin eine zwingende Voraussetzung für dessen Zulassung sein.
  3. Eine Anpassung der GVO-Risikobewertungsverfahren an neue technologische Entwicklungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse muss auf dem Vorsorgeprinzip sowie auf soliden wissenschaftlichen Kriterien und Konzepten beruhen und die Bewertung zusätzlicher Risiken einschließen, die sich aus neuen, wirkungsvolleren Technologien ergeben.
  4. Die Bewertung sozioökonomischer Nutzen und Risiken für die Nachhaltigkeit von Produkten muß auf Grundlage eines umfassenden und integrierten Ansatzes geplant und durchgeführt werden. Sie willkürlich und mit durchschaubarer Absicht auf die Regulierung einer besonderen Kategorie von GVO zu beschränken, macht eine solche Bewertung von vornherein unglaubwürdig.

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